August 2013

Stellungnahme zum Entwurf für die Neuregelung des Berliner Rahmenvertrags

Der Arbeitskreis Wohnungsnot versteht sich als Interessensvertretung der hilfesuchenden Menschen und möchte sich in folgender Stellungnahme vorrangig auf die inhaltlichen Änderungen beschränken, die diese Zielgruppe betreffen.

Kernpunkt der diesbezüglich relevanten Regelungen ist die veränderte Rollenverteilung zwischen öffentlichen und freien Trägern in Bezug auf die Zugangsmodalitäten zu den Leistungstypen von Trägern der Einrichtung hin zu den Trägern der Sozialhilfe (§ 8 des Entwurfs) und die Hilfeplanung.

Die Hilfebedarfsermittlung, die bisher i. d. R. von den Trägern der Einrichtungen vorgenommen wurde, soll nun von den Trägern der Sozialhilfe vorgenommen werden. Der Arbeitskreis Wohnungsnot gibt zu bedenken, dass nur durch entsprechende Bereitstellung zusätzlichen Fachpersonals in den Bezirksämtern eine zeitnahe Bedarfsermittlung gewährleistet werden kann. Schon heute kommt es bei vielen Trägern der Sozialhilfe aufgrund personeller Engpässe zu zeitlichen Verzögerungen im Prüfverfahren zur Gewährung einer Hilfe nach §§ 67 f. SGB XII.

Unklar bleibt, wie sich dieses Verfahren bei kurzfristig notwendigen Aufnahmen, z.B. im Leistungstyp „Krisenhaus“, auswirkt. Hier ist i. d. R. eine sofortige Aufnahme in Krisensituationen notwendig. Die Vermittlung an die Sozialen Wohnhilfen bzw. die Durchführung einer Helferkonferenz als Aufnahmevoraussetzung ist erfahrungsgemäß nicht derart kurzfristig zu organisieren, dass in einer Krisensituation ein angemessenes Hilfeangebot zur Verfügung gestellt werden kann. Eine verbindliche tragfähige Handlungsanweisung für solche Situationen wäre zu formulieren.

Probleme beim Umgang mit Behörden und Institutionen sind oftmals ein zentraler Bestandteil der sozialen Schwierigkeiten unserer Zielgruppe. Die Einrichtungen der freien Träger bemühen sich dementsprechend um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zum Hilfesystem. Derzeit besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen des Aufnahmeverfahrens von den Trägern der Einrichtung vorab Kontakt zu den Stellen der Bezirksämter Kontakt hergestellt wird und die Begleitung zu Behörden organisiert werden kann. Schwellenängste können dadurch abgesenkt werden. Es ist zu befürchten, dass durch die Notwendigkeit, das Clearing- oder Aufnahmeverfahren ausschließlich bei den Ämtern durchzuführen, einem Teil der Zielgruppe der Zugang zu den Hilfen verschlossen bleibt.

Sollten die Veränderungen eintreten, geht die nützliche „Anwaltsfunktion“ der freien Träger für die Antragsteller/-innen im Verfahren der Anspruchsklärung verloren. Den Hilfesuchenden ist es häufig nicht möglich, ihren Hilfebedarf adäquat darzustellen. In den Bezirksämtern werden die Ansprüche auf Hilfen nach § 67 SGB XII teilweise sehr restriktiv ausgelegt. In vielen Fällen müssen Antragsteller/-innen bei der Durchsetzung des Hilfeanspruchs und bei der Erfüllung umfangreicher Mitwirkungspflichten von freien Trägern unterstützt werden. Es ist zu befürchten, dass sich der Zugang zu den Hilfen nach § 67 SGB XII deutlich verschlechtert. Um zu verhindern, dass Anträge auch im Hinblick auf leere Haushaltskassen zunehmend abgelehnt werden, empfehlen wir ein Begutachtungsverfahren, in dem ein unbeteiligter Dritter die Hilfeansprüche im Einzelfall prüft. Diese Gutachterfunktion kann weder vom Leistungsträger noch von dem vermittelnden freien Träger ausgefüllt werden und muss daher bei einer unabhängigen Stelle neu eingerichtet werden.

Durch die Zuweisung einer Einrichtung durch den Träger der Sozialhilfe wird die Wahlmöglichkeit der Hilfesuchenden weiter eingeschränkt. Die Möglichkeit, eine Einrichtung vor der Aufnahme bzw. vor der Zuweisung einer Kostenübernahme kennen zu lernen und bewusst auszuwählen, wird reduziert.

Der Sozialhilfeträger soll „im Einvernehmen“ mit den Leistungsberechtigten die Hilfeziele festlegen. Da der Sozialhilfeträger auch über die Bewilligung der Hilfe entscheidet, ist die Hilfeplanung durch ein erhebliches Machtgefälle zwischen den Akteuren gekennzeichnet (vergleichbar mit Eingliederungsvereinbarungen nach § 15 SGB II). Dies könnte die Gefahr vermehrter Hilfeabbrüche in sich bergen, wenn die Hilfeziele vom/von der Leistungsberechtigten nicht als die eigenen akzeptiert und verfolgt werden können.

Höhere Anforderungen an Dokumentation und zusätzliche Rechte des Kostenträgers auf Einsicht in die Dokumentation können durchaus zu höherer Transparenz und somit auch zu einer Verbesserung der Leistungen führen. Andererseits bedeuten sie auch einen höheren Zeitaufwand für die zusätzlichen Arbeiten. Bereits in der Vergangenheit wurde ein solcher höherer Aufwand nicht angemessen in den Kostensätzen berücksichtigt. Aus diesem Grund muss darauf hingewiesen werden, dass dies nicht voneinander getrennt werden kann. Einem erhöhten Dokumentationsaufwand muss durch angepasste Fallleistungszahlen Rechnung getragen werden.